Mark Reeder im Stil der 1940er Jahre, Berlin 1981 (Ausschnitt)
Foto: © Mark Reeder
Michael Voigt fragte mich, ob ich bei dem von ihm veranstalteten „Konzert zur Einheit der Nation“ (17. Juni 1981) spielen möchte, da er noch Bands bräuchte. Ich sagte „ja, klar“, ohne nachzudenken, was für Konsequenzen das haben würde. Dann habe ich meinen Kumpel Alistair, den ich 1980 im SO36 beim Konzert von Spizzenergi kennengelernt hatte, als ich auf seinen Fuß trat, angerufen und gefragt: „Alistair, was machst du eigentlich nächste Woche? Kannst du singen?“ Und er (singend): „Strangers in the Night“. „Oh“, sagte ich, „super, wir haben nächste Woche ein Konzert. Komm vorbei. Ich zeige dir, wie man Bass spielt.“ Das habe ich getan und dann haben wir ein paar Songs geschrieben. Am 17. Juni waren wir überhaupt noch nicht fertig mit den Songs und saßen kurz vor Konzertbeginn im Franken, der Bar gegenüber vom SO36, um unsere Songs fertig zu schreiben. Wir hatten uns eine Schlagzeugmaschine ausgeborgt, weil Thomas Wydler an dem Abend keine Zeit hatte, Schlagzeug zu spielen. Natürlich gab es keinen Soundcheck. Es war irre voll und sehr heiß im SO36. Und wir waren total besoffen und hatten Ephedrintabletten genommen. Die Gitarrensaiten waren alle verstimmt und in der totalen Aufregung hatten wir keine Zeit mehr, um sie zu stimmen. Dann habe ich die Schlagzeugmaschine falsch angeschlossen, so dass sie etwas komplett anderes gespielt hat, als das, was wir geprobt hatten. Ich dachte: „Was ist das denn jetzt? Kenne ich ja überhaupt nicht.“ Das Intro ging elend lange und irgendwann haben wir gesagt: „Jetzt müssen wir endlich mal anfangen.“ Ein Problem war, dass Alistair zuvor im Franken die Songs auf beide Seiten von einem Blatt Papier geschrieben und dieses nun auf einen Mikrofonständer geklebt hatte. Durch das helle Licht von den Scheinwerfern kam die Schrift von der Rückseite durch und man konnte nichts lesen. So musste Alistair sich beim Singen immer zum Blatt bücken, um die nächste Textzeile lesen zu können. Und da er den Text nicht richtig lesen konnte, sang er zu Beginn jeder Zeile extraundeutlich. Das hört man auch auf dem Licht-und-Schatten-Sampler. Das Konzert war grauenhaft. Der Journalist Andre Schwerdt schrieb danach in der Zitty: „Zwei unbekannte Engländer haben ein fantastisches Avantgarde-Set gespielt.“ Und da wir keinen richtigen Namen hatten, nannten die Leute uns dann einfach die „Die Unbekannten“.
© Mark Reeder, 2020